Bodenlange Fenster und Fenstertüren sind für Restaurants in Wien-Döbling nicht verkehrsüblich.
Der geplante Einbau von bodentiefen Fenstern und Fenstertüren in ein im Wohnungseigentum stehendes Geschäftslokal in Wien-Döbling entspricht nicht der Übung des Verkehrs.
Im konkreten Fall plante der Antragsteller die Fenstergestaltung des in seinem Wohnungseigentum stehenden Geschäftslokals zu ändern und die bestehenden Fenster unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft gegen bodentiefe Fenster und Fenstertüren auszutauschen.
Gemäß § 16 Abs 2 Z 2 WEG müssen die geplanten Maßnahmen entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (RIS-Justiz RS0083233). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer dieser zusätzlichen Voraussetzungen trägt der änderungswillige Wohnungseigentümer.
Bei Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Änderung kommt es nicht auf eine allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierten Baupraxis an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Hauses, des Umfelds, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie des Ausmaßes der Inanspruchnahme oder Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist (5 Ob 145/17k; 5 Ob 240/16d; 5 Ob 137/12a; RIS-Justiz RS0126244). Für das Vorliegen eines wichtigen Interesses des Wohnungseigentümers an einer Änderung seines Objekts kommt es besonders darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (5 Ob 145/17k; 5 Ob 240/16d; 5 Ob 98/11i; RIS-Justiz RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Verkehrswerts des Objekts genügen hingegen für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht (5 Ob 13/14v; 5 Ob 21/12t; 5 Ob 98/11i; RIS-Justiz RS0083341 [T2, T4]; RS0083345 [T1]; RS0110977).
Bei der Beurteilung des Umfelds und der Häufigkeit von Gastronomiebetrieben mit Fenstertüren ist nicht auf das gesamte Stadtgebiet Wiens, sondern nur auf die nähere Umgebung, abzustellen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, in der unter dem maßgeblichen Umfeld in der Regel die „Gegend“ oder die (nächste oder unmittelbare) „Umgebung“ verstanden wird (vgl 5 Ob 145/17k; 5 Ob 113/15a; 5 Ob 39/15v; 5 Ob 109/06z). Nach der Lebenserfahrung sind in dem Wohngebiet des 19. Wiener Gemeindebezirks bis zum Boden ragende Fenster und Fenstertüren nicht geradezu selbstverständlicher Teil der Nutzung eines Geschäftslokals.
Als wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG machte der Antragsteller die Verbesserung seines Wohnungseigentumsobjekts durch Herstellung eines zeitgemäßen Zustands und die damit verbundene bessere Benützbarkeit und höhere Attraktivität für Kunden geltend. Zwar können grundsätzlich auch wirtschaftliche Interessen des änderungswilligen Wohnungseigentümers als wichtig iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG angesehen werden (5 Ob 191/04f; 5 Ob 29/89). Diese müssen aber ebenfalls über das selbstverständliche Interesse des Eigentümers an einer besseren Verwertbarkeit der Räumlichkeiten und Wertsteigerung seines Objekts hinausgehen (vgl 5 Ob 19/16d; 5 Ob 21/12t; 5 Ob 13/14v). Dies wurde im konkreten Fall verneint. Auf das konkrete Ausmaß der Inanspruchnahme allgemeiner Liegenschaftsteile und deren Verhältnismäßigkeit zur Wichtigkeit des Interesses des Änderungswilligen als eines der weiteren Beurteilungskriterien (5 Ob 19/16d mwN; vgl RIS-Justiz RS0126244 [T4]) kommt es nicht entscheidend an.
OGH 13.12.2018, 5 Ob 169/18s