WIMT Newsletter 01/18


Dringendes Wohnbedürfnis -  Berücksichtigung des Wohnkomforts?

 

 

Ein dringendes Wohnbedürfnis gemäß § 14 Abs 2 MRG wird bejaht, wenn der Eintrittswerber bei Tod des Mieter lediglich über eine Wohnmöglichkeit verfügt (28m² ohne Küche), deren Nutzung zu einem eklatanten Abstieg des Wohnkomforts (56m²) führen würde.

 

Das dringende Wohnbedürfnis eines Eintrittswerbers ist nur dann zu verneinen, wenn ihm eine andere ausreichende und angemessene, sowie rechtlich gleichwertige Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung steht. Bei der Prüfung, ob es sich dabei um eine „ausreichende“ Wohnmöglichkeit handelt, sind auch faktische Gesichtspunkte heranzuziehen.

 

Sachverhalt: Der Eintrittswerber wohnte seit 1981 zusammen mit seinen Eltern bis zu deren Tod 2009 bzw 2012 in der aufgekündigten Wohnung top 2, die über eine Fläche von 56,46 m² verfügt. Seit 1989 ist der Eintrittswerber Mieter der am selben Gang gelegenen Wohnung top 4, die (nur) 28 m² groß ist und in der im Küchenbereich kein Wasserhahn und kein Herd installiert ist. In dieser Wohnung verwendete die Familie das Badezimmer, ansonsten wurde die Wohnung zur Lagerung von Gegenständen und für handwerkliche Tätigkeiten genutzt.

 

In der jüngeren Rechtsprechung des OGH wird das dringende Wohnbedürfnis eines Eintrittswerbers im Sinne eines schutzwürdigen Interesses verstanden und nur dann verneint, wenn ihm eine andere ausreichende und angemessene, sowie rechtlich gleichwertige Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung steht, wobei immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls unter Einschluss sowohl der rechtlichen als auch der tatsächlichen Verhältnisse abgestellt wird.

 

Verfügt ein Eintrittswerber über eine eigene Wohnung, die er früher bewohnt hat, wird auf die unbedingte Notwendigkeit abgestellt, den beim Tod des Mieters gegebenen Zustand zu belassen. Soll er auf eine andere Wohnung verwiesen werden, muss es sich um eine ausreichende und gleichartige Wohnmöglichkeit handeln.

 

Bei Vorhandensein einer ausreichenden und rechtlich gleichwertigen Wohnmöglichkeit ist deren faktische Gleichwertigkeit nicht zu prüfen. Allerdings werden bei der Prüfung, ob es sich dabei um eine „ausreichende“ Wohnmöglichkeit handelt, auch faktische und nicht nur rechtliche Gesichtspunkte herangezogen. So wurde in einer Vorentscheidung (7 Ob 273/07h) ausgesprochen, dass in einer 40 m² bzw 52 m² großen Garconniere keine mit einer 140 m² großen Wohnung vergleichbare ausreichende Wohnmöglichkeit gesehen werden kann, wenn die Eintrittswerberin bis zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Hauptmieters rund 20 Jahre in der gegenständlichen Wohnung lebte.  Auch ein  ca 15 m² großen Einzelraum ohne WC, Kochgelegenheit, Wasser- und Kaminanschluss wurde nicht als ausreichende und gleichwertige Wohnmöglichkeit zu einer 96 m² großen aufgekündigten Wohnung mit Bad, WC und Gasetagenheizung angesehen  (4 Ob 237/05i).

 

Der OGH entschied, dass die dem Eintrittswerber zur Verfügung stehende Wohnung top 4, an der ein unbefristeter Mietvertrag besteht, eine zwar rechtlich gleichwertige Unterkunftsmöglichkeit darstellt; die Beurteilung, dass es sich dabei dennoch nicht um eine „ausreichende“ Unterkunftsmöglichkeit handelt, ist aber im Lichte der zuvor zitierten Rechtsprechung vertretbar. Denn danach muss zwar keine faktische Gleichwertigkeit im Sinn von Größe, Kategoriemerkmalen, Erhaltungszustand, etc bestehen, es darf aber dem Eintrittswerber auch kein eklatanter Abstieg des Wohnkomforts zugemutet werden. Der Eintrittswerber würde auf eine halb so große und (bezüglich der Küche) schlechter ausgestattete Wohnung als jene, in der er seit beinahe 40 Jahren lebt, verwiesen werden.

 

 

OGH 23.1.2018, 4 Ob 210/17m

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20180123_OGH0002_0040OB00210_17M0000_000/JJT_20180123_OGH0002_0040OB00210_17M0000_000.html